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Sonntag, 14 Juni 2020 14:55

Die Hoffnung des Esels

Durch die Ereignisse der letzten 2 Wochen, durch die nicht zu rechtfertigende Tötung von dem schwarzen Amerikaner George Floyd durch vier Polizisten in Minneapolis USA, ist der Aufschrei „Black lives matter!“ unüberhörbar laut geworden. Tödliche Polizeigewalt gegen Minderheiten, und insbesondere gegen männliche, schwarze Amerikaner scheint nicht länger eine traurige Tatsache des amerikanischen Alltags zu sein, sondern ist zu einem Grund für entschlossenen Widerstand geworden.

20170810 181350 KLEs wird nicht nur nach einer anderen Polizei gerufen bzw. nach einer Umfinanzierung von sozialen und Schutzkräften, sondern nach der Beendigung des Rassismus in den USA überhaupt und darüber hinaus in vielen Städten Europas. Ein Zeichen dafür ist das Niederreißen von Statuen ehemaliger „Helden“ des Kolonialismus. In den USA sind das in den Südstaaten die Statuen der Generäle der Bundesstaaten der Konföderation, die im 19. Jahrhundert den Bürgerkrieg begann, um sich von den Nordstaaten loszusagen und die Sklaverei weiter unbehelligt zu betreiben. Viele Trainingslager der amerikanischen Armee tragen immer noch ihren Namen und sind eine dauerhafte Kränkung für jeden afro-amerikanischen Armeeangehörigen. Teilweise war das Feiern der Generäle der Südstaaten durch Reiterstatuen eine Folge der Gesetzgebung zur Fixierung der Rassentrennung zwischen 1877 und 1964. Sie sind also ein deutliches Zeichen der trotzigen Reaktion einer weißen Bevölkerung gegen das Aufbegehren der „befreiten“ Sklaven von damals, damit das Zusammenleben mit den Schwarzen verhindert wurde. Sie dienen auch als ein Zeichen dafür, wer hier eigentlich immer noch das Sagen hat.

In meinen Seminaren: „Die Kraft des Lachens“ benutze ich oft den Begriff „Esel“ in Bezug auf ein menschliches Verhalten, Widerstand zu leisten. Meistens meine ich damit die menschliche Neigung, das Gewohnte, das Bekannte zu verteidigen, selbst wenn diese Neigung eigentlich dazu führt, die eigenen Beschränkungen zu verstärken und einen lösenden Humor zu verhindern. Damit meine ich ein Abwehrverhalten, dass zu einem verbissenen Humor führt, gerade wenn wir in unseren Grundfesten angegriffen fühlen. Diese Art sitzt tief, ist aber oft gerade der Schlüssel zu einem befreiten Humor, wenn es einem gelingt, gerade dieses Verhalten als Clown oder als Narr zum Besten zu geben. Wenn wir jemand dafür bewundern, dass er oder sie über sich selbst lachen kann, meinen wir die Fähigkeit, den eigenen „Esel“ zum Besten geben zu können.

Die Proteste zeigen eine andere Form des „Esels“. Sie zeigen den „Esel“, den wir unbedingt brauchen, die Fähigkeit zum Schutze der eigenen Würde. Rassismus greift die Würde eines Menschen, ja einer ganzen Menschengruppe an. Heute sprechen wir eher von Formen der „Resilienz“.

Wenn ich denselben Namen für die eine wie für die andere Reaktion benutze, ist es mir wichtig auf die Ähnlichkeit der menschlichen Reaktion hinzuweisen. Es ist ja dieselbe Fähigkeit zur Abwehr. Nur unterscheiden sie sich darin, wozu sie benutzt werden. Sie sind daher oft voneinander schwer zu unterscheiden. Wir wissen oft selbst nicht, weshalb wir uns innerlich oder äußerlich sperren. Manchmal ist es gut so. Manchmal würden wir uns gar nicht zur Wehr setzen, wenn wir zu viel darüber nachdenken würden, auch wenn das dringend nötig wäre.

Ich beschäftige mich deshalb immer wieder mit dem „Phänomen“ Donald Trump, als "Hauptesel" sozusagen. Manche „Liberale“ in den USA fragen sich, weshalb er „Loser“ wie die Generäle der Konföderierten als Helden der amerikanischen Geschichte feiert, obwohl er eigentlich so sehr Gewinner und keine Verlierer mag. Dann musste ich an den englischen Begriff „Defiance“ denken: Trotz im Angesicht des Angriffs. Wenn er sich angegriffen fühlt, greift er an, schlägt zurück, gräbt sich ein und fühlt sich dabei im Recht. So sehen sich wohl viele Weiße noch im Süden, die ihn gewählt haben. Sie haben in vielem schon verloren, halten aber ihre „Ehre“ aufrecht und wollen wie „moralische Sieger“ aussehen. Sie bleiben deshalb stur und fühlen sich von ihm gut vertreten, auch wenn sie eigentlich nur Angst haben und sich nicht mit der Realität zurecht finden wollen, selbst in der Minderheit zu sein, was die Hautfarbe wie auch den Lebensstil und Meinung betrifft. Darüber hinaus sehen Manche in ihm wohl das letzte Bollwerk gegen die nicht mehr abzuwendende „Niederlage“ durch den unvermeidbaren Wandel in der Wirtschaft, durch die Automation und gegenseitige, internationale Abhängigkeit der Weltwirtschaft.

Dennoch: Es ist ein ähnliches Gefühl wie in dem Ausdruck der Verlierer gegen Franco im spanischen Bürgerkriegs „no pasarán“ („sie kommen nicht durch“) - in diesem Fall der Linken gegenüber dem drohenden, unaufhaltsamen unheilvollen Sieg der Rechten. Trotziger und heldenhafter Widerstand gerade im Untergang. Das Gefühl mag ähnlich sein.Die Entscheidung basiert immer darauf, was die Betroffenen für Wert halten zu verteigen und ob die "Gegenseite" das einsieht. Oder: Ob die Seiten sich unversöhnlich einander gegenüber stehen.

Die Hoffnung des Clowns ist immer mit dem berechtigten Widerstand der entrechteten Minderheit. Davon gibt es viele auf dieser Welt.